PETER P.RAST

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Farbe leben

Ein dicker roter und blauer Farbstift, wie sie zum Beschriften von Bahnpaketen, zum Adressieren der „Fox tönende Wochenschau“ für das Kino in der nahen Kleinstadt verwendet wurden, waren meine ersten „Pinsel“.

Versorgt mit roten Marmeladebroten und grüner Waldmeisterlimonade darf ich oft im Büro der Bahnwärterin nebenan sitzen und jede Menge Papier, Kleister und die beiden Stifte benutzen.
Ich schneide Menschen und Dinge aus Broschüren und Katalogen aus, klebe sie auf und zeichne mit besagten Stiften weiter. Unterbrochen wird nur, wenn das Bing-Bing-Bing ertönt. Dann kurbelt Anna, die Bahnwärterin, von Hand die Schranken herunter, weil ein Zug kommt. Ich springe hinaus und setze mich auf das Geländer am Bahnsteig und hake ich mich mit den Füßen an der unteren Querstange ein. Ich schaue nach rechts zum Bahnübergang. Die rot-weiß markierte Schranke ist geschlossen.
Dort wartet ein VW Käfer. Wenn er grau ist, ist es bestimmt der meines Vaters, der zu Kunden, oder zur Eisenhandlung fährt. Meist steht da aber nur der Traktor eines Bauern am Ort. Das Bahnsignal steht auf Rot, der Zug kommt demnach von links. Er trifft ein, ein paar Leute steigen aus, ein paar ein.
Dann ertönt das Bing-Bing-Bing, weil Anna die Schranke wieder hochkurbelt.

Wenn sich der Zug in Bewegung setzt, lasse ich mich nach hinten kippen, so dass ich kopfunter am Geländer hänge. Kopfstehend fährt der Zug dann in einer endlos langen Linkskurve durch die grüne Landschaft mit ziegelroten Dächern und blauem Himmel davon. Ich sehe ihm nach. Wenn ich groß bin, fahre ich mit… Mit dem ersten Fahrzeug, das über den wieder frei gewordenen Bahnübergang fährt, bin ich wieder in meinem „Atelier“.

Ich liege als Jugendlicher an einem Sommertag im Gras unter einem Apfelbaum. Mein Blick geht durch das Grün der Blätter, unterbrochen von gleißenden Lichtreflexen, zum Blau des Himmels und zurück zu den Blättern. Hellgrün, Gelbgrün, Blaugrün, Schwarzgrün und dazwischen dieses unglaublich intensive Blau. Warum ist das so schön – warum? Erst später habe ich bei dem englischen Künstler und Schriftsteller John Berger (1926-2917) in seiner Schrift „Schritte zu einer kleinen Theorie der Sichtbarkeit“ den Beitrag „Ein Maler sein…“ gelesen.

Der Blick meines ersten Zimmers in einer WG, Parterre, geht auf eine schwarz geflieste Wand gegenüber. In einem weißen Quadrat steht in Kreisform mit roter Schrift: Baccara Roulette. Eine Verkehrsampel vor dem Fenster beleuchtet abends das Zimmer, wenn ich kein Licht anmache. Tagsüber wird es in der Häuserschlucht nie richtig hell. Mit stark aufgehelltem Ocker streiche ich die Wände. Ein grobstrukturierter weißer Vorhang schafft Distanz zur Außenwelt. Selbstgebaute Möbel aus Fichtenholz, die Polster mit auberginefarbenem Samt bezogen und ein naturfarbener Maisstrohteppich schaffen eine lichte Atmosphäre.

VITA /

FARBE LEBEN

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Das Atelier ist voll mit Bildern. Ich arbeite an Variationen eines Motivs mit einem Gefäß und einer Frucht, die auf einer Unterlage stehen. Aus ursprünglich sehr intensiven Farbkontrasten werden allmählich Varianten von Rottönen. Beim Zurücklehnen und Betrachten der Arbeiten, die nun den ganzen Raum füllen, sehe ich an jeder weißen Stelle grüne Nachbildfarben aufleuchten.
Plötzlich sehe ich für einige Augenblicke alles nur noch in Schwarz-Weiß. Derart konfrontiert mit der Energie von Farbe und ihrer Wahrnehmung wird der Weg frei vom Abbildhaften zum Atmosphärischen, zum Konkreten.

Das Sich-Einlassen auf Farbe ist gleichzeitig ein sich ihr Aussetzen. Die Energie einer Farbe aufnehmen, den Interaktionen mit anderen Farben (Josef Albers 1888 - 1976) nachspüren, ihren
Bezug zur Form und ihrer Wirkung im Raum zu untersuchen, sind grundlegende Aspekte meiner Arbeit.

In der Vermittlung des Themas Farbe bilden diese Erfahrungen die Grundlage. Farbtheorie und Bildbetrachtungen zum jeweiligen Aspekt aktivieren das „anschauliche Denken“ (Rudolf Arnheim
1904 - 2007) und bilden den Einstieg in praktische Übungen. Deren Ziel ist es, mit Mal- und Misch-
techniken vertraut zu werden, um über den Übungscharakter hinaus, persönliche Ergebnisse zu erzielen, denen der Übungscharakter nicht mehr anhaftet. Farben sehen, wahrnehmen, verstehen.

 

 


 

Peter P. Rast

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